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Modell zum Erhalt der Biodiversität
Es bedarf eines ethischen und ökonomischen Paradigmenwechsels, um dem fatalen Verlust der Biodiversität und der Degradierung der Ökosysteme Einhalt zu gebieten. Damit unser Planet stabil und widerstandsfähig bleibt braucht es Kapital und Investitionen zum Erhalt artenreicher Lebensräume
Das Wohlergehen der Menschen hängt von intakten, gut funktionierenden Ökosystemen und der zur Verfügungstellung der Ökosystemleistungen (ÖSL) ab.
Sie liefern Sauerstoff zum Atmen, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, Grundstoffe für Medikamente und vieles mehr. Dazu kommen eine Reihe kultureller Leistungen, die die Lebensqualität maßgeblich erhöhen.
Die vielfältigen ÖSL der Natur sind aber auch eine wichtige Voraussetzung für die wirtschaftliche Prosperität unserer Gesellschaft. Sie sind die Grundlage für unsere ökonomischde Existenz und das Wohlergehen der Menschen sowie Basis für beinahe alle wirtschaftlichen Wertschöpfungsketten.
Die biologische Vielfalt birgt aber auch ein enormes Innovationspotenzial, etwa bei der Entwicklung neuer Medikamente, technischer Entwicklungen (Bionik) und industrieller Rohstoffe. Nicht zuletzt dient sie als genetische Ressource zur langfristigen Sicherung unserer Ernährung.
Naturkapital
Ökonomische Metapher für den begrenzten Vorrat an physischen und biologischen Ressourcen der Erde und die begrenzte Bereitstellung von Gütern und Leistungen durch Ökosysteme.
Die Research Group on Sustainable Finance der Universität Hamburg hat mehr als 150 wissenschaftliche Studien ausgewertet und bestätigt, dass der Biodiversitätsverlust zu finanziellen Risiken führt.
Die Grundvoraussetzung für eine intakte Biodiversität sind erfüllt, wenn sensible Ökosysteme vor menschlichen Eingriffen geschützt, gestörte Ökosysteme wiederhergestellt und biodiversitätsfreundliche Landnutzungsmodelle eingeführt werden.
Die komplexen Herausforderungen, vor denen wir stehen, können wir jedoch nur bewältigen, wenn wir auch einen systemischen Wandel herbeiführen.
Laut wissenschaftlichen Berechnungen müssen wir 30% unseres Planeten unter Schutz stellen, um die Klimakrise und den BIODIVERSITÄTSKOLLAPS auf dem derzeitigen Niveau zu stoppen.
Zusätzlich müssen umweltschädliche Subventionen abgebaut (alleine in Deutschland sind das im Schnitt
65 Mrd. EUR p.a.) sowie die Bedienung von unbegrenzten Wachstums- und Gewinninteressen einiger Lobbygruppen eingestellt werden.
Es liegt klar auf der Hand, dass wir eine Trendwende brauchen, um dem fatalen Biodiversitätsverlust Einhalt zu gebieten. Wir müssen Lösungen entwickeln, die dafür sorgen, dass unser Planet stabil und widerstandsfähig bleibt.
Das ‘Economics of Ecosystems and Biodiversity-Programm (TEEB)’, das ‘Millennium Ecosystem Assessment (MEA)’, und die ‘Natural Capital Finance Alliance’ haben den Wert von Ökosystemleistungen und die wirtschaftlichen Verluste aufgrund des Rückgangs der biologischen Vielfalt quantifiziert.
Um all das zu finanzieren, braucht es min. 500 Mrd US $ NATURSCHUTZKAPITAL jährlich.
Eine theoretische Möglichkeit dieses Kapital bereitzustellen, wäre die „Internalisierung von Externen Kosten“.
Externe Kosten bzw. negative Externalitäten entstehen u.a. durch Raubbau an den natürlichen Ressourcen, Übernutzung oder Verschmutzung von Ökosystemen sowie Schädigungen oder Zerstörung von ökologisch wertvollen Biotopen. Diese auch als "Schadkosten" bezeichneten negativen Externalitäten beziffern die, jedem Verursacher zuordenbaren, negativen Auswirkungen auf die Biodiversität.
Diese Externen Kosten werden derzeit von der Allgemeinheit getragen also sozialisiert!
D.h. derzeit spiegeln sich diese "Schadkosten" nicht in aktuellen Marktpreisen wider und werden daher bei den wirtschaftlichen Entscheidungen der Verursacher in keinster Weise berücksichtigt.
Bei der "Internalisierung der Externen Kosten" würden jene Kosten, die dem Erhalt der Biodiversität zuwiderlaufen ("Schadkosten"), in den Produktpreis eingerechnet werden. Das Problem daran wäre, dass es im Fall einer Zurechnung dieser Kosten auf den Konsumentenpreis („um ehrliche Produktpreise zu erzielen") bei vielen Produkten zu unvorstellbaren Preisexplosionen käme, was höchstwahrscheinlich einen abrupten Niedergang des allgemeinen Wohlstandsniveaus zur Folge hätte.
Daher wäre eine verursachergerechte Übernahme der "Externen Kosten" die wesentlich realistischere Option.
Negative Externalitäten sollten so den jeweiligen Verursachern zugerechnet werden, die diese "Schadkosten" in Folge kompensieren müssten.
Da die verantwortlichen Verursacher der negativen Auswirkungen auf die Biodiversität ja auch alle Gewinne aus ihren Wertschöpfungsketten vereinnahmen und somit privatisieren, wäre es mehr als gerechtfertigt, dass diese Unternehmen auch die damit verbundenen "Externen Kosten" tragen und diese nicht wie bisher auf die Allgemenheit abgewälzt, also sozialisiert werden.
Als Pendant und 'Best Practice Modell' kann die Bepreisung von CO2e-Emissionen und deren verursachergerechte, monetäre Kompensation durch den Kauf von CO2e-Zertifikaten zum Wohl zweckgebundener Projektfinanzierungen zur Eindämmung des Klimawandels herangezogen werden.
(Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina 2020: „Globale Biodiversität in der Krise – Was können Deutschland und die EU dagegen tun?“).
Die Politik oder ev. auch andere, dem GEMEINWOHL verpflichtete Entscheidungs-Gremien müssen global-kohärente Rahmenbedingungen schaffen, damit die Wirtschaft für die Kapitalbereitstellung zum Erhalt der Ökosysteme verpflichtet wird. Die Wirtschaft war und ist innovativ und daher anpassungsfähig. Sie braucht nur die richtigen Vorgaben und einen realistischen Zeitrahmen, um sich auch auf schwierige Vorgaben einzustellen und diese umzusetzen.
Zumal die nachhaltige Sicherung von Ökosystemleistungen auch im ureigensten Interesse der Wirtschaftstreibenden selbst liegt. Jedes Unternehmen hat ein existenzielles Interesse daran auch noch in 10-15 Jahren gewinnorientiert zu wirtschaften. Das wäre jedoch nicht mehr möglich, wenn die Zerstörung der biologischen Vielfalt in der derzeitigen Rasanz voranschreitet oder auch wenn wir bei 2 Grad Celsius Erderwärmung angekommen sind und weite Teile des Planeten nicht mehr bewohnbar sind.
Dazu muss den Protagonisten die Dramatik der Situation bewusst gemacht werden, damit die kurzfristig ev. sogar wirtschafts- und wachstumshemmenden Vorgaben zum Dogma werden. Erst dann wird die Wirtschaft bereit sein, auch freiwillig voranzuschreiten, um schneller langfristig existenzsichernde Lösungen zu entwickeln.
Aber nicht nur die Wirtschaft sondern auch jeder Einzelne von uns muss sich bewusst machen, dass er ein Bewohner des 'Planet A', unserer einzigen Erde ist und damit auch Verantwortung für sich selbst und alle anderen Menschen trägt, wirklich alles zu unternehmen, um die heimische Biodiversität mit allen Mitteln zu fördern.
Die Mehrheit der Wirtschaftswissenschaften sieht und denkt den Menschen seit Anbeginn als egoistische Kreatur (homo oeconomicus), dem es nur um den eigenen Vorteil geht und so auf wundersame Weise für alle Wohlstand schafft. Dieses Menschenbild ist falsch und muss dringend einem Update unterzogen werden. Ein System, das Egoismus belohnt, erzieht zum Egoismus. Wir brauchen eine Neubetrachtung der Werte, die Menschen in ihrer kooperativen Lebendigkeit stützen.
Wir brauchen einen ÖKONOMISCHEN PARADIGMENWECHSEL, in dessen Zuge alle Akteure – Unternehmen, Verbraucher*innen, Regierungen und die Finanzwelt – Umweltschutz als Schlüssel zum Erfolg verstehen.
Statt die Biodiversität weiter zu zerstören, müssen wir zu einem System übergehen, in dem sich Wirtschaft und Natur wechselseitig dienen und die Gesellschaft davon profitiert.
Um die Biodiversität als Kriterium in wirtschaftlichen Entscheidungen zu integrieren und effektive Pläne zu ihrem Erhalt zu entwickeln, brauchen alle relevanten Akteure ein ehrliches Verständnis über die von ihnen verursachten Biodiversitätsschäden, Ökosystem-Degenerationen, übermässigen Ressourcen-Entnahmen und Schadstoffausstöße und die von ihnen erwarteten und zu leistenden Reparationsleistungen.
Ein wirksamer Schutz der Biodiversität geht über die Bekämpfung des Artensterbens hinaus. Wenn wir die Leistungen der Natur erhalten wollen, muss es eine Vielfalt an intakten Ökosystemen mit den unterschiedlichsten Arten, genetischen Variationen und verbindenden Elementen geben.
Dazu ist es notwendig folgende Ziele zu berücksichtigen:
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den Erhalt und die Regenerierung heimischen Ökosysteme,
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den Schutz der genetischen Vielfalt und der heimischen Arten,
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die Sicherung wesentlicher, ökologischer Basisfunktionen,
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die Bewahrung von Ökosystemleistungen sowie
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maximale Kohlenstoffspeicherung (Klimakrise).
Kompensation von Biodiversitätsverlusten
Hauptmechanismus
Kompensationsmaßnahmen sind ein freiwilliges oder verpflichtendes Instrument für Unternehmen, um unvermeidbare negative Auswirkungen auf ein Ökosystem durch die Finanzierung von Wiederherstellungsmaßnahmen an anderer Stelle auszugleichen („Offsetting“).
Potenzial zur Erhaltung der Biodiversität: Was kann erreicht werden?
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Eine Kompensation ist dann sinnvoll, wenn ein Eingriff als unvermeidlich erachtet wird und die gleichen Ökosystemfunktionen in einem ähnlichen räumlichen Kontext bereitgestellt werden können.
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Sie ist besonders dann effektiv, wenn die Verlagerung bzw. Wiederherstellung von Lebensräumen für den Schutz der betroffenen lokalen Arten geeignet ist und die zu kompensierenden Auswirkungen mit einer standardisierten Methode messbar sind.
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Meist betreffen Ausgleichsmechanismen Landumnutzungen wie die Versiegelung durch den Bau von Infrastruktur oder Siedlungen, aber sie könnten auch auf die Auswirkungen von Ackerbau und Ressourcenextraktion ausgedehnt werden.
Schutzmaßnahmen: Was ist zu beachten?
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Im Unterschied zu Kohlenstoffemissionen ist die Biodiversität an lokale Gegebenheiten gebunden und es besteht kein einfacher Bezug zu einer globalen messbaren Größe.
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Wird die Entscheidung für Kompensationsmaßnahmen in Erwägung gezogen, sollte die Hierarchie der Schadensminderung befolgt werden:
1) Vermeidung,
2) Minimierung,
3) gleichartige und gleichwertige Wiederherstellung vor Ort
4) Ersatzmaßnahmen andernorts. -
Die Idee der gleichartigen und gleichwertigen Wiederherstellung vor Ort ist wichtig, damit Ausgleichsmaßnahmen der Einzigartigkeit lokaler Ökosysteme Rechnung tragen.
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Weitere wichtige Grundsätze für die Finanzierung von Wiederherstellungsprojekten sind die Übereinstimmung mit Schutzzielen und Ausweisungsgründen von Schutzgebieten sowie der räumliche Bezug im Falle von Umsiedlungen.
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Schließlich ist auch die zeitliche Komponente zu berücksichtigen: Es müssen alternative Lebensräume vorhanden sein, bevor der ursprüngliche
Externe Kosten bzw. negative Externalitäten sind negative Auswirkungen auf die Biodiversität, die sich nicht in aktuellen Marktpreisen widerspiegeln und daher bei den wirtschaftlichen Entscheidungen der Verursacher gar nicht berücksichtigt werden.
Diese "Schadkosten" entstehen durch kompensationsfreien Raubbau an den natürlichen Ressourcen, Übernutzung oder Verschmutzung von Ökosystemen, Aktivitäten entstehen, die zu einer Übernutzung oder Verschmutzung von Ökosystemen führen und sich auf die Biodiversität insgesamt negativ auswirken.
Diese Kosten, die derzeit von der Allgemeinheit getragen also sozialisiert werden, sollten die Verursacher der Kosten tragen, die die Gewinne ganz selbstverständlich privatisieren aus der Wertschöpfungskette vereinnahmen. Produktwertschöpfung vereinnahmen in die wirtschaftliche Entscheidungsfindung integriert und „internalisiert“ werden.
Als Vorbild kann die Bepreisung von CO2-Emissionen und deren verursachergerechte, monetäre Kompensation durch den Kauf von CO2e-Zertifikate zum Wohl zweckgebundener Projektfinanzierungen zur Eindämmung des Klimawandels sein.
Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (Hrsg.) 2020: „Globale Biodiversität in der Krise – Was können Deutschland und die EU dagegen tun?“
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Die Natur erbringt wertvolle
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materielle (z.B. Lebensmittel),
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regulierende (z. B. Regulierung des Klimas und Bestäubung) und
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immaterielle Beiträge (z. B. Lernerfahrungen und Inspiration)
für die Menschen (Abbildung SPM.2).
Diese Beiträge sind von wesentlichem Belang für die Lebensqualität der Menschen, da diese jeweils einen erheblichen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Wert darstellen (allgemein anerkannt)2 {2.3.5
Die Beiträge der Natur für die Menschen, darin inbegriffen die Ökosystemleistungen, sind von wesentlicher Bedeutung für ihren Lebensunterhalt, für die Wirtschaft und für eine gute Lebensqualität;
entsprechend sind sie Voraussetzung für die Erhaltung des menschlichen Lebens auf der Erde.
Die Natur hat einen erheblichen wirtschaftlichen und kulturellen Wert für die Gesellschaften der Welt. Sie trägt bspw. zur menschlichen Gesundheit bei, indem sie u.a. Rohstoffe für die Herstellung von Arzneimitteln liefert, Lebensmittel für eine abwechslungsreiche Ernährung bietet und durch Grünflächen die Erhaltung der geistigen und körperlichen Gesundheit unterstützt.
MEDIANWERTE wichtiger regulierende Ökosystemleistungen sind unter anderem
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die Regulierung der Süßwassermenge und -güte 1.965 $ pro Hektar pro Jahr,
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die Erhaltung natürlicher Lebensräume (765 $ pro Hektar pro Jahr),
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die Regulierung des Klimas (464 $ pro Hektar pro Jahr) und
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die Regulierung der Luftqualität (289 $ pro Hektar pro Jahr)
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die Bestäubung ????
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die Bodenbildung (Humus) ???
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die Hochwasserregulierung und Erossionsschutz ???
(IPBES - Regionales Assessment 2016-2018 - BIOLOGISCHE VIELFALT UND ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN IN EUROPA UND ZENTRALASIEN)